Anita Fetz Medien Echo.  
1999 SVP als Spielverderberin für bürgerliche Traditionsparteien?
fs., in der NZZ vom 26. Juli 1999

SVP als Spielverderberin für bürgerliche Traditionsparteien?
Im Kanton Basel-Stadt ist die Ausgangslage für die eidgenössischen Wahlen vom kommenden Oktober besonders spannend. Die SP wird ihr Traumresultat von 1995, als sie vier der sechs Nationalratsmandate errang, nicht wiederholen können. Anderseits steht keineswegs fest, dass die bürgerlichen Traditionsparteien Terrain zurückerobern können. Spielverderberin könnte just die erstmals im Stadtkanton kandidierende SVP sein. Und zwischen den Blöcken hofft auch die gemässigte Demokratisch-Soziale Partei (DSP).
Vor allem der landesweite Trend sowie die linke Listenverbindung und Proporzglück machten die Sozialdemokratische Partei im Kanton Basel-Stadt vor vier Jahren zur grossen Siegerin. Sie errang nicht weniger als vier der sechs Basler Nationalratssitze und verteidigte auch das Ständeratsmandat des Halbkantons problemlos. Doch dieser Höhenflug, der in keinem Verhältnis zum Wähleranteil von 35,5 Prozent stand, wird sich am kommenden 24. Oktober nicht wiederholen. Schon während der laufenden Legislaturperiode ist die Basler SP-Deputation im Nationalrat durch den Übertritt von Margrith von Felten in die Grüne Fraktion auf drei Sitze geschrumpft. Bei der Basler SP wäre man froh, wenn nur schon die drei verbliebenen Mandate verteidigt werden könnten. Sicher ist indessen auch dies nicht. Denn arithmetisch liegen für die vereinigte Linke nur noch drei Sitze drin. Und diesmal könnten - im Gegensatz zu 1995 - die unter dem Namen «Das Bündnis» neu formierten Kleinparteien der Linken, Grünen und Feministinnen von der Listenverbindung mit der SP profitieren.
Nur noch drei Sitze für den linken Block
Dass der linke Block nur noch mit drei Sitzen rechnen kann, ist auch dem Umstand zuzuschreiben, dass sich die Demokratisch-Soziale Partei (DSP) erstmals seit 1983 wieder an den nationalen Wahlen beteiligt. Damit kann die SP nicht mehr - wie noch 1995 - vom linken DSP-Wählerpotential profitieren. Um die Gunst der massvoll in der linken Mitte politisierenden DSP als Braut für eine Listenverbindung haben sowohl die SP wie auch die bürgerlichen Parteien geworben. Die DSP hat jedoch allseits «Körbe» ausgeteilt und sich mit der Vereinigung der Evangelischen Wählerinnen und Wähler (VEW) verbunden. Beide Parteien konnten bei den Basler Bürgergemeinderatswahlen vom vergangenen Juni zulegen und dürfen sich berechtigte Hoffnungen machen, zusammen auf einen Stimmenanteil von gegen 14 Prozent zu kommen, was einen Nationalratssitz (für die DSP) brächte
Wenn man davon ausgeht, dass in Basel nur der sechste Sitz zur Disposition steht, dann blieben die Bürgerlichen bei einem Mandatsgewinn des Verbunds der «blockfreien Mitte» von DSP und VEW auf ihren zwei Sitzen stehen. Während die Liberalen und die Freisinnigen (erstmals auch mit einer jungfreisinnigen Liste) nicht mehr als die Verteidigung ihres Nationalratssitzes erwarten dürfen, hofft die CVP, das 1995 hauchdünn an die SP verlorene Mandat zurückerobern zu können. Die bürgerlichen Traditionsparteien machen allerdings nicht gerade den Eindruck, diese Terrainrückgewinnung mit grösstmöglicher Entschlossen- und Geschlossenheit anzustreben. Die seit 1971 praktizierte Listenverbindung kommt diesmal ohne grossen Enthusiasmus zustande.
Nervosität wegen SVP-Alleingang
Für Irritationen im bürgerlichen Lager hat die SVP gesorgt, die erstmals im Kanton Basel-Stadt an eidgenössischen Wahlen teilnimmt. Bisher war diese Partei mit lediglich einem von 130 Grossratssitzen im Stadtkanton ohne Bedeutung und Einfluss. Der Erfolg bei den jüngsten Bürgergemeinderatswahlen, an denen die SVP ebenfalls erstmals teilnahm und auf Anhieb 8,1 Prozent Wähleranteil eroberte, hat nun aber bei den bürgerlichen Traditionsparteien eine gewisse Nervosität evoziert. Das vor allem auf FDP- und CVP-Seite anhebende Liebäugeln mit einer Listenverbindung mit der SVP, die einen bürgerlichen Sitzgewinn in den Bereich der Wahrscheinlichkeit gerückt hätte, drohte zu innerbürgerlichen Querelen zu führen. Doch die SVP selber hat allen Spekulationen ein Ende bereitet, als sie beschloss, keine Listenverbindungen einzugehen, um sich «als bürgerliche Alternative mit einer klaren Linie» eher auf Blocher- denn auf Berner Kurs präsentieren zu können. Mit Zulauf kann sie vom (limitierten) Potential der Schweizer Demokraten und der Freiheitspartei rechnen, die - allerdings chancenlos - bei den Nationalratswahlen mit einem Listenverbund antreten. Auf einen Aderlass zugunsten der SVP werden sich aber auch die LDP (wie die Bürgergemeinderatswahlen gezeigt haben) sowie die SP (insbesondere in Basler Quartieren mit grossem Ausländeranteil) gefasst machen müssen. Und auch bei der FDP erwartet man eine geringfügige Einbusse. Ob es zu einem SVP-Sitzgewinn reichen wird, ist - auch angesichts der leichtgewichtigen Kandidatenliste - eher unwahrscheinlich, aber nicht völlig ausgeschlossen. So oder so schmälert die Teilnahme der SVP im Alleingang die Gewinnchancen des traditionellen Bürgerblocks, konkret der CVP.
Fetz-Opfer bei der SP?
Nicht viel weniger spannend als die Sitzverteilung ist die personelle Besetzung der neuen Basler Nationalratsdeputation. Alle sechs Bisherigen treten wieder an. Doch nur zwei haben das «Billett» nach Bern praktisch auf sicher: der Liberale Christoph Eymann und der Freisinnige Johannes Randegger. Gewerbeverbandsdirektor Eymann profiliert sich immer wieder öffentlich mit Initiativen im Bereich Wirtschaft und Energie und Novartis-Werkleiter Randegger dürfte vom Bisherigen-Bonus profitieren. Bei den Sozialdemokraten zittern alle drei Bisherigen vor Anita Fetz, der ehemaligen Poch/POB-Nationalrätin, die nach dem erfolgreichen Neustart als SP-Politikerin auf kantonaler Ebene nun auch zum Comeback in Bern ansetzt. Die Nomination der erfolgreichen Unternehmerin hat innerhalb der SP einige Beschwerden verursacht. Fetz hat gute Wahlchancen und dürfte am ehesten die blasse Christine Keller verdrängen, während Remo Gysin und Rudolf Rechsteiner weniger gefährdet scheinen. Sollte die SP aber nur noch zwei Sitze erringen, könnte auch einer von ihnen über die Klinge springen müssen. Wenn das «Bündnis» einen Sitz holt, dürfte Margrith von Felten ihre Karriere im Bundeshaus fortsetzen können.
Für einen Sitz der DSP stünde Hansjörg Wirz, Grossrat, ehemaliger Grossratspräsident und Direktor der Fachhochschule beider Basel, im Vordergrund. Bei der CVP zu favorisieren wären Peter Schai, Grossrat und ehemaliger Grossratspräsident, sowie Grossrat und Parteipräsident Carlo Conti, beides Juristen.
Spannungslose Ständeratswahl
Kaum Spannung liegt über der Basler Ständeratswahl. Der 60jährige Sozialdemokrat und Physikprofessor Gian-Reto Plattner wird eine dritte Legislaturperiode in Angriff nehmen können. Die bürgerlichen Traditionsparteien machen der SP den Sitz nicht streitig, gehen aber davon aus, dass Plattner in vier Jahren nicht mehr antreten wird und es dann zu einer grundsätzlichen Ausmarchung kommen wird. Die Kandidatur der SVP mit Peter Adam, einem unbekannten und politisch unerfahrenen 31jährigen Unternehmer im Finanzdienstleistungssektor, dient vor allem dazu, der Partei im Hinblick auf die Nationalratswahlen zu zusätzlicher Publizität zu verhelfen, ist aber aussichtslos.