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24.10.2016 Wonder Woman ist zurück
Anita Fetz über die Superheldin ihrer Jugend
Die halbe Welt schaut in diesen Wochen angewidert auf den Wahlkampf in den USA. Eine Nachricht ging im Getöse um Donald Trumps Pussygate allerdings völlig unter: Die Vereinten Nationen haben soeben Wonder Woman zur UN-Botschafterin ernannt. Sie soll die Mädchen und Frauen weltweit ermutigen, sich für ihre Rechte zu wehren. Für das Recht auf Bildung, auf sexuelle Unversehrtheit oder das Recht, sich den Partner und Ehemann selbst auszusuchen. Die neue Botschafterin kämpft ebenso gegen Beschneidung, Kinderheirat, Gewalt wie sexuelle Belästigung.

Sie kennen Wonder Woman nicht? Sie war die Heldin meiner Teenagerjahre – so, wie die rote Zora und Pippi Langstrumpf jene meiner Kindertage waren. Wonder Woman ist eine Comicfigur, 1941 im Zweiten Weltkrieg erfunden vom amerikanischen Ehepaar Marston. Kennengelernt habe ich sie durch meinen Onkel, der in den 1970er Jahren für IBM in den USA gearbeitet hat. Er hat mir diese Comics mitgebracht und mich damit motiviert, Englisch zu lernen.

Wonder Woman ist die Tochter einer Amazonenkönigin. Diese formte ihr Baby aus Lehm und verlieh ihm Superkräfte. Von den Göttern wird Wonder Woman auf die Erde geschickt, um «in der Welt von Männern» Frieden zu stiften, als Kriegsgott Ares den Plan hegt, einen weiteren Krieg zu entfesseln. In ihrem ersten Abenteuer hilft sie einem US-Piloten im Kampf gegen die Nazis. Sie kommt als Diana Prince in Menschengestalt daher, doch sobald sie eine Pirouette dreht, verwandelt sie sich in die superstarke Wonder Woman.

Ihre Waffen sind: ein Lasso, mit dem sie alle Bösewichte einfängt und sie dazu bringt, die Wahrheit zu sagen; breite silberne Armbänder, mit denen sie Gewehrkugeln und Bomben abwehrt; sowie ein goldenes Stirnband, mit dem sie gefährliche Blitze verschiesst. Und selbstverständlich kann die Überfrau fliegen.

Wonder Woman feiert dieser Tage ihren 75. Geburtstag. Bereits die erste Ausgabe des Comics wurde zum Bestseller. In den 1970er Jahren gab es eine TV-Serie mit ihr, die sehr populär war und bis heute Kultstatus hat. Sie überlebte die Jahrzehnte, erfand sich immer wieder neu.

Mit dem Alter haben sich meine Lektüregewohnheiten etwas geändert, sodass ich nicht mehr jedes ihrer Abenteuer verfolgte. Ich könnte mir jedoch gut vorstellen, dass es Wonder Woman war, die mit ihrem Wahrheitslasso mitgeholfen hat, das frauenfeindliche Grapsch-Video von Donald Trump aus dem Jahr 2005 ans Tageslicht zu bringen. Das allein hätte allerdings noch nicht gereicht für den Sturm der Empörung, den der widerliche Auftritt eines alternden Egomanen unter Frauen ausgelöst hat. Nein, es war auch sein Versuch einer Entschuldigung: Das sei nur Garderoben-Geschwätz unter Männern und ja nicht so schlimm. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Die First Lady Michelle Obama drückte aus, was Millionen von Frauen und auch viele Männer empfanden, als sie Trumps Gewäsch hörten: Genug ist genug! Wie viele Generationen braucht es eigentlich noch, bis jedem klar ist, dass die sexistische Verächtlichmachung von Frauen, das tagtägliche Gegrapsche in allen möglichen Situationen kein Kavaliersdelikt ist?!

Wenn nur die Amerikanerinnen wählen würden, hätte Clinton fast alle Staaten hinter sich – ausser ein paar im Süden. Sie selbst schweigt bis jetzt zum Pussygate ihres Gegners. Frau kann es verstehen. Ihr Ehemann Bill ist in solchen Fragen vorbelastet. Egal, ob man Hillary Clinton gut findet oder nicht, hoffentlich können wir am 9. November über die erste US-Präsidentin die Schlagzeile lesen: Pussy strikes back.

Aber auch dann hätte Wonder Woman als UN-Botschafterin noch einiges zu tun. Nicht nur in den USA.
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