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12.09.2016 Sicherheit gibt es nur im Gefängnis
Nicht mit dem neuen Geheimdienstgesetz
Es ist beunruhigend ruhig im Land. Obwohl wir Ende September über ein neues Geheimdienst-Gesetz abstimmen, das tief in unsere Grundrechte eingreift. Keine Zweifel: Jedes Land braucht einen Geheimdienst, auch die Schweiz. Und wir brauchen ein modernes Gesetz für die dreihundert Mitarbeiter des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB). Nur schiesst die Vorlage, über die wir abstimmen, weit über das Ziel hinaus.

Nehmen wir die harmlos klingende Kabelaufklärung. Sie erlaubt dem NDB, im ganzen Datenverkehr nach Begriffen zu suchen. Das ist eine Massenüberwachung! Damit wird auf Vorrat und ohne Verdacht massiv in unsere Privatsphäre eingegriffen. Geradezu lachhaft ist die Einschränkung, es würden dabei nur «grenzüberschreitende Daten» abgeschöpft. Wenn Sie, liebe Leser, Wikipedia-Artikel durchstöbern, tun Sie das in den Niederlanden – und werden damit überwacht. Oder wenn Sie Dschihadismus googeln, dann tun Sie das auf Google-Servern, die in den USA stehen – und werden überwacht. Die gesammelten Daten darf der NDB an ausländische Geheimdienste weitergeben. Automatisch, notabene, denn solche Daten sind das Kleingeld im internationalen Geschäft der Geheimdienste. Sie, liebe Leser, liebe Bürger, haben zu alldem nichts zu sagen. (Und das in einem Land, in dem jedes Verträglein mit der EU als dramatischer Souveränitätsverlust gilt.)

So also bleiben Sie, wenn Sie Pech haben, bei Ihrer nächsten Auslandsreise in einer Rasterfahndung hängen, ohne zu wissen warum. Ein Einsichtsrecht, das diesen Namen verdient, haben Sie leider nicht. Dabei sind sich Experten weitgehend einig, dass sich auf diese Art und Weise kein Terrorist aufspüren lässt. Fast alle Attentäter waren in der Vergangenheit den Geheimdiensten bekannt. Aber man konnte sie nicht flächendeckend überwachen. Kurzum: Wir würden lieber mehr Polizisten anstellen.

Der NDB soll künftig aber auch Computersysteme mit schädlicher Software manipulieren und sich sogar in ausländische Computer hacken dürfen. Damit geht die Schweiz ein reales Risiko ein, in einen Cyberkrieg verwickelt zu werden.

Und gezielte Lausch- und Manipulationsangriffe müssen lediglich von einem einzigen Richter bewilligt werden. Was meinen Sie, wie der entscheiden wird, wenn man ihm sagt, dass ein Terroranschlag drohe? Ausgerechnet in diesem sensitiven Bereiche gilt kein Vieraugenprinzip.

Hinzu kommt: Das Gesetz schadet der Wirtschaft. Bis jetzt gilt die Schweiz als Land mit hoher Datensicherheit. Darum arbeiten viele IT- und Cloud-Firmen hier. Damit dürfte es nach der Annahme vorbei sein. Wir haben dann nicht mehr Sicherheit, sondern weniger.

Ich mach mir keine Illusionen. Der Zeitgeist brüllt nach Sicherheit. Mich erschüttert aber, dass die vermeintlich freiheitsliebenden Schweizer ihre Freiheit so leichtsinnig aufgeben. Oder, um es mit den Worten des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Eisenhower zu sagen: «Wenn ihr absolute Sicherheit wollt, geht ins Gefängnis. Dort habt ihr zu essen, bekommt Kleider, werdet medizinisch versorgt. Das Einzige, was fehlt, ist ... Freiheit.»
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